Gewalt

Gewalt ist eine Option.

Der Mensch muß nie, kann aber immer gewaltsam handeln, er muß nie, kann aber immer töten – jedermann. Gewalt überhaupt und Gewalt des Töten im besonderen ist kein bloßer Betriebsunfall sozialer Beziehungen, keine Randerscheinung sozialer Ordnungen und nicht lediglich ein Extremfall oder eine ultima ratio (von der nicht so viel Wesens gemacht werden sollte). Gewalt ist in der Tat eine Option menschlichen Handelns, die ständig präsent ist. Keine umfassende soziale Ordnung beruht auf der Prämisse der Gewaltlosigkeit. Die Macht zu töten und die Ohnmacht des Opfers sind latent oder manifest Bestimmungsgründe der Struktur sozialen Zusammenlebens.

Heinrich Popitz, Phänomene der Macht. Mohr, Tübingen 1986